Runder Tisch zu "Arzneimittelversorgung in Österreich" (2)
Maßnahmen, die helfen sollen, die Arzneimittelversorgung in Österreich zu sichern
Vertriebseinschränkungen und Lieferschwierigkeiten, die bis zu Arzneimittelversorgungschwierigkeiten führen können, sind global, EU-weit und auch in Österreich im Zunehmen begriffen.
Am 15.10.2019 fand daher der "runde Tisch" zum Thema Arzneimittelversorgung in Österreich statt.
Bei der hochkarätig besuchten Veranstaltung, die vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) im Auftrag des BMASGK organisiert wurde, erarbeiteten mehr als 30 Vertreterinnen und Vertreter österreichischer Stakeholder des Gesundheitswesens Lösungsansätze, die sicherstellen sollen, dass man vor dem Hintergrund der weltweit kontinuierlich zunehmenden Liefer- und Versorgungsengpässe die Versorgungslage in Österreich zum Nutzen von Patientinnen und Patienten erhalten, absichern und zukünftig stärken kann.
Vertreterinnen und Vertreter unter anderem von Ärzte- und Apothekerkammer, des pharmazeutischen Großhandels, der Patientenanwaltschaft, des BMASGK, der Wirtschaftskammer, der Interessensvertretungen der pharmazeutischen Industrie sowie aus der Wissenschaft und des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger, waren aktiv beteiligt.
DI Dr. Christa Wirthumer-Hoche, verfahrensleitendes Mitglied des BASG, leitete die Veranstaltung bei der konkrete Maßnahmen erarbeitet wurden, die demnächst ihre Umsetzung finden könnten.
Meldepflicht bei Lieferengpässen erforderlich
Es bestand breiter Konsens, dass weltweite Produktions- und Lieferengpässe nur eingeschränkt auf nationaler Ebene zu lösen sind. Umso wichtiger ist es daher, rasch und verlässlich Transparenz in die aktuelle Versorgungssituation zu bringen und bestehende oder auch drohende Lieferengpässe frühzeitig den beteiligten Berufsgruppen zu kommunizieren.
Dadurch können rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen werden, um selbst bei längerdauernden Engpässen die Versorgungslage nach Möglichkeit mit individuellen Maßnahmen abzufedern und rechtzeitig alternative Versorgungsschritte zu setzen.
Die bislang in weiten Fällen von Zulassungsinhabern nur unvollständig und freiwillig gehandhabten Meldungen über Lieferengpässe sollen daher zur besseren Planbarkeit der Versorgungslage einer Meldepflicht unterlegt werden.
Drohende Lieferschwierigkeiten, die mehrere Wochen andauern und daher durch die Lagerhaltung des Großhandels nicht mehr überbrückbar wären, müssen, so die Pläne, dann verpflichtend vorab zum frühestmöglichen Zeitpunkt der Arzneimittelbehörde BASG bekanntgegeben werden.
Im Falle von drohenden Engpässen soll zudem auch ein Exportverbot über die in Österreich noch vorrätigen Arzneimittelmengen verfügt werden können. Da in der Vergangenheit immer wieder die Tendenz erkennbar war, dass in Österreich vorrätige Arzneimittel ins Ausland verkauft und damit teilweise der heimischen Bevölkerung entzogen wurden, kann diese Maßnahme mithelfen, die Versorgung der österreichischen Bevölkerung sicherzustellen.
Der runde Tisch hat folgende Eckpunkte behandelt:
- Ausweitung der Meldepflicht von Versorgungsengpässen für Zulassungsinhaber im Vertriebseinschränkungsregister
- Vom Zulassungsinhaber gemeldet werden auf PZN-Ebene:
- Nicht lieferbare Arzneimittel
- Nicht in ausreichendem Maß lieferbare Arzneimittel
- Im Vertriebseinschränkungsregister könnten diese Informationen mit einem Ampellicht System hinterlegt werden.
- Gemeldet und in weiterer Folge gepflegt werden die Daten im Register vom Zulassungsinhaber
- Zulassungsinhaber meldet, wenn Arzneimittel für 2 Wochen gar nicht lieferbar ist bzw. für 4 Wochen nicht-ausreichend lieferbar ist
- Zeitpunkt der Meldung: unverzüglich, ab Zeitpunkt der Kenntnis über die tatsächliche Vertriebseinschränkung
- Exportverbot für alle im Vertriebseinschränkungsregister gelisteten Arzneimittel für alle Stakeholder in der Vertriebskette (d.h. für Industrie, Großhandel, Apotheke)
- Möglichkeit für BASG - in Abstimmung mit dem Zulassungsinhaber - auch weitere Produkte auf die Exportverbot-Liste zu setzen, die zwar angemessen und kontinuierlich von Seiten der Industrie zur Deckung des Bedarfs der Patienten im Inland zur Verfügung gestellt werden, bei denen es dennoch (aus anderen Gründen wie z.B. unerwünschter Abfluss ins Ausland durch andere Stakeholder, etc.) zu Versorgungsproblemen kommt
- Möglichkeit der Sanktionen bei Verstößen gegen Export-Verbot, wie Verwaltungsstrafen, GDP-Entzug, Entzug der Konzession
- Es soll durch elektronische Tools tagesaktuell sichergestellt werden, dass der Arzt kein Arzneimittel verschreibt, das nicht verfügbar ist bzw. soll der Arzt/Apotheker informiert sein, welche Arzneimittel nicht verfügbar sind. Diese IT-technische Lösung wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Problemstellung Zunahme der Vertriebseinschränkungen in Österreich:
Gesamtzahl Lieferengpässe (derzeit freiwillige Meldungen): 2017: 146 und 2018: 332 (Tendenz steigend)
siehe Grafik am Ende des Artikels
Aufgaben und nicht Aufgaben des BASG
Es werden dem BASG immer wieder und zunehmend Beschwerden über nicht lieferbare Arzneimittel übermittelt, jedoch muss klargestellt werden, dass das BASG die pharmazeutischen Unternehmen weder zur Produktion von Arzneimitteln bzw. Wirkstoffen zwingen, noch dazu verpflichten kann, Arzneimittel auf den Markt zu bringen.
Das BASG kann derzeit lediglich Sachverhalte ermitteln, die zu der Vertriebseinschränkung geführt haben, das Ausmaß und die Information an den beteiligten Akteuren kommunizieren. In diesem Zusammenhang wird auf die aktuellen Aufgaben und Nichtaufgaben des BASG hinzuweisen, die publiziert sind:
https://www.basg.gv.at/arzneimittel/vertriebseinschraenkungen-lieferengpaesse/aufgaben-und-nichtaufgaben-des-basg/
Lösungen auf die Fragen rund um Versorgungsprobleme können jedoch nicht alleine national gefunden werden. Lösungen müssen auch gemeinsam in der EU erarbeitet werden, dafür wurde u.a. eine gemeinsame Arbeitsgruppe HMA/EMA gegründet: https://www.hma.eu/522.html
Das BASG stellt im Zusammenhang mit Vertriebseinschränkungen (Lieferengpässen) für Arzneimittel in Österreich Informationen auf seiner Website im Vertriebseinschränkungen Register bereit.
Die primäre Verantwortung, die Lieferfähigkeit von Arzneimittel aufrecht zu erhalten, liegt grundsätzlich beim Zulassungsinhaber bzw. beim Großhändler. Es wird dahingehend auf die Bestimmung des § 57a. (1) Arzneimittelgesetz verwiesen:
"Der Zulassungsinhaber oder der Inhaber einer Registrierung einer Arzneispezialität und die Arzneimittel-Großhändler und Arzneimittel-Vollgroßhändler, die diese tatsächlich in Verkehr gebrachte Arzneispezialität vertreiben, haben im Rahmen ihrer jeweiligen Verantwortung eine angemessene und kontinuierliche Bereitstellung der Arzneispezialität für die Abgabe durch Apotheken oder für sonst zur Abgabe gemäß § 59 Berechtigte sicherzustellen, damit der Bedarf der Patienten im Inland gedeckt ist".
Grundsätzlich gilt somit, dass die primäre Verantwortung, die Lieferfähigkeit von Arzneimittel aufrecht zu erhalten, beim Zulassungsinhaber bzw. beim Großhändler liegt. Es ist sicher zu stellen, dass der Bedarf der Patientinnen und Patienten im Inland gedeckt ist.
Leider kommt es bei Arzneimitteln in den vergangenen Jahren vermehrt zu Vertriebseinschränkungen, nicht nur in Österreich, sondern EU- bzw. weltweit. Da die Gefahr von Vertriebseinschränkungen durch die fortschreitende globale Entwicklung in den letzten Jahren nicht nur theoretisch, sondern bereits faktisch am Zunehmen ist, müssen rasch geeignete Maßnahmen gesetzt werden, um eine Trendumkehr zu bewirken.
Fazit:
Vertriebseinschränkung sollten zukünftig verpflichtend dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) gemeldet werden um mehr Transparenz zu schaffen, und um auftretende Engpässe rechtzeitig zu erkennen und fallbezogen noch frühzeitige Gegenmaßnahmen einleiten zu können.
Ein Exportverbot bei besonders kritischen Engpässen im Interesse der öffentlichen Gesundheit, unter Bezug auf das Vertriebseinschränkungsregister, ist angedacht, um zu verhindern, dass bei bereits drohenden Engpässen für Österreich bestimmte und noch in Österreich lagernde Kontingente über unerwünschte Exporte dem österreichischen Gesundheitssystem entzogen werden.
Weitere Vorschläge für konkrete Maßnahmen wurden diskutiert und werden in der, zu diesem Thema eingerichteten, Task Force bearbeitet.
Rückfragen (für Medien):
Kommunikationsmanagement, Tel.: 050555/25000
E-Mail:
https://www.basg.gv.at/arzneimittel/vertriebseinschraenkungen-lieferengpaesse/