Erste COVID-19-Behandlung für EU-Zulassung empfohlen
Der Humanarzneimittelausschuss der EMA hat für Veklury (Wirkstoff: Remdesivir) empfohlen, eine bedingte Zulassung in der Indikation COVID-19 für Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahren mit Lungenentzündung, die zusätzlichen Sauerstoff benötigen, zu erteilen. Remdesivir ist das erste Arzneimittel gegen COVID-19, das für eine Zulassung in der EU empfohlen wird. Die Daten zu Remdesivir wurden in einem außergewöhnlich kurzen Zeitraum durch ein kontinuierlich, fortlaufendes Überprüfungsverfahren (sog. "rolling review") bewertet, ein Vorgehen, das die EMA bei Notfällen im Bereich der öffentlichen Gesundheit verwendet, um wichtige Daten frühestmöglich zu bewerten, sobald sie verfügbar sind. Am 30. April 2020 begann der Humanarzneimittelausschuss mit der Bewertung der Daten zu Qualität und Herstellung, nichtklinischen Daten, vorläufigen klinischen Daten und den erweiterten Sicherheitsdaten aus dem Compassionate-Use-Programm, und somit bereits schon lange bevor der Antrag auf Zulassung am 8. Juni eingereicht wurde.
Die Bewertung des Dossiers wurde mit der heutigen Empfehlung vorläufig abgeschlossen. Die Empfehlung stützt sich unter anderem auf die klinischen Daten aus der Studie NIAID-ACTT-1, die vom US-staatlichen NIAID (Nationales Institut für Allergie und Infektionskrankheiten) gesponsert wurde, sowie auf weitere klinische Daten aus anderen Studien zu Remdesivir. In der Studie NIAID-ACTT-1 wurde die Wirksamkeit einer geplanten 10-tägigen Behandlung mit Remdesivir bei über 1.000 hospitalisierten Patienten mit COVID-19 bewertet. Remdesivir wurde dabei gegen Placebo verglichen. Hauptmaß (primärer Endpunkt) für die Wirksamkeit war die Zeit bis zur Genesung der Patienten. Insgesamt zeigte die Studie, dass mit Remdesivir behandelte Patienten sich nach etwa 11 Tagen erholten, verglichen mit 15 Tagen bei Patienten, denen Placebo verabreicht wurde. Dieser Effekt wurde bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Erkrankung nicht beobachtet, deren Zeit bis zur Genesung sowohl für die Remdesivir-Gruppe als auch für die Placebo-Gruppe jeweils 5 Tage betrug. Bei Patienten mit schwerer Erkrankung, die knapp 90% der Studienpopulation ausmachten, betrug die Zeit bis zur Genesung hingegen 12 Tage in der Remdesivir-Gruppe und 18 Tage in der Placebo-Gruppe. Kein Unterschied wurde jedoch in der Zeit bis zur Genesung bei Patienten festgestellt, die erst dann mit Remdesivir begannen, als sie bereits eine mechanische Beatmung oder eine ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung) erhielten. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Daten war die EMA der Ansicht, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis bei COVID-19 Patienten mit schwerer Lungenentzündung die zusätzlich Sauerstoff benötigen, positiv ist.
Remdesivir wird durch per Infusion in die Vene verabreicht und die Anwendung ist auf klinische Einrichtungen beschränkt, in denen Patienten engmaschig überwacht werden können. Die Leber- und Nierenfunktion der Patienten sollte vor und während der Behandlung überwacht werden. Die Behandlung wird mit einer 200 mg-Infusion am ersten Tag begonnen, gefolgt von mindestens einer 100 mg-Infusion pro Tag für die nächsten 4 Tage, jedoch nicht länger als für weitere 9 Tage. Veklury wurde für eine "bedingte Zulassung" empfohlen, das ist ein EU-Regulierungsmechanismus, um einen frühzeitigen Zugang zu Arzneimitteln zu erleichtern, die einen bisher ungedeckten medizinischen Bedarf decken, wie etwa Notsituationen bzw. in Reaktion auf Bedrohungen der öffentlichen Gesundheit, so wie dies nun auch in der aktuellen Pandemie der Fall ist. Dieser Mechanismus ermöglicht der EMA, ein Arzneimittel auch dann für eine Zulassung, also mit weniger umfangreichen Daten als normalerweise erwartet würden, zu empfehlen. Vorausgesetzt jedoch ist, dass der Nutzen der sofortigen Verfügbarkeit des Arzneimittels für Patienten jenes Risiko überwiegt, das mit der Tatsache verbunden ist, dass zum Zeitpunkt der Empfehlung eben noch nicht alle Daten erhoben sind.
Um die Wirksamkeit und Sicherheit von Remdesivir in Zukunft noch genauer abschätzen zu können, muss das Unternehmen das den Wirkstoff Remdesivir vermarkten will der EMA nun bis spätestes Dezember 2020 die finalen Abschlussberichte der Remdesivir-Studien sowie weitere Daten zur Qualität des Arzneimittels vorlegen. Wie für alle anderen Arzneimittel wird auch bei Remdesivir ein sog. Risko-Management-Plan (RMP) die strenge Sicherheitsüberwachung gewährleisten. Zusätzliche Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit von Remdesivir werden durch weitere laufende Studien und Post-Marketing-Berichte gesammelt und regelmäßig Humanarzneimittel- und Sicherheitsausschuss der EMA überprüft. Bereits seit April 2020 überprüft der Sicherheitsausschuss zudem die Sicherheitsdaten von jenen, zusätzlichen, Patienten, die außerhalb klinischer Studien mit Remdesivir behandelt wurden und deren Daten in Form von monatlichen Sicherheitsberichten vorgelegt werden. Diese Sicherheitsberichte werden auch weiterhin eingereicht und bewertet, wenn das Arzneimittel offiziell auf dem Markt ist.
Die EMA wurde bei der Bewertung von Remdesivir von Experten der COVID-19 EMA-Pandemie-Task Force (COVID-ETF) unterstützt, die speziell eingerichtet wurde, um das höchste relevante Fachwissen des europäischen Arzneimittelregulierungs-Netzwerks zusammenzuführen, um Mitgliedstaaten und Europäischer Kommission bei Entwicklung, Zulassung und Überwachung von Arzneimitteln gegen COVID-19 zu helfen. Die Europäische Kommission beabsichtigt nun in der kommenden Woche eine endgültige Entscheidung über die bedingte Zulassung von Remdesivir zu treffen, damit das Produkt rasch in der EU vermarktet werden kann.
weitere Links und Informationen: https://www.ema.europa.eu/en/news/first-covid-19-treatment-recommended-eu-authorisation
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