BASG und EU-Behörden warnen vor illegalen Gen-, Gewebe- oder Zell-Therapien Neu
Nicht konforme Arzneimittel für Neuartige Therapien können ernste Risiken für Patient:innen darstellen.
Arzneimittel für neuartige Therapien (d.h. somatische Zelltherapeutika, Produkte aus biotechnologisch bearbeiteten Gewebezubereitungen oder Gentherapeutika, sog. ATMPs (Advanced Therapy Medicinal Products)) können für viele Patient:innen eine vielversprechende Therapie darstellen und sind in jenen Fällen wertvoll, in denen andere Arzneimittel nur begrenzt oder gar nicht wirken. Sie müssen jedoch, wie jedes andere Arzneimittel auch, auf Sicherheit und Wirksamkeit geprüft werden und unterliegen einer strengen behördlichen Kontrolle.
Mitunter werden Patient:innen jedoch an einzelnen Kliniken oder Zentren behandelt, die Arzneimittel anbieten, die ebenfalls in die Einstufung von neuartigen Therapien fallen, die jedoch weder systematisch geprüft noch behördlich zugelassen sind und die daher ernsthafte Risiken für die Patient:innen mit sich bringen können. Bei diesen Therapien liegen somit keine Nachweise für die Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit vor und die Konformität ihrer Herstellungs- und Qualitätskontrollverfahren mit den gültigen EU-Vorschriften ist nicht überprüft worden. Darüber hinaus sind weitere Verstöße, die im Zusammenhang mit diesen Therapien auftreten können, wie z.B. Verstöße gegen Patientenrechte oder Gesundheitsvorschriften keine Seltenheit.
Diese nicht konformen, nicht vorschriftsmäßig zugelassenen Arzneimittel könnten insbesondere dann angeboten werden, um die Schutzbedürftigkeit, Verletzlichkeit oder Gutgläubigkeit von verzweifelten Patient:innen mit schwerwiegenden und/oder chronischen Krankheiten auszunutzen, z. B. bei bestimmten Krebsarten oder Krankheiten mit begrenzten Behandlungsmöglichkeiten.
Die zuständigen nationalen Behörden ergreifen daher Maßnahmen, wenn nicht zugelassene Arzneimittel für neuartige Therapien außerhalb der strengen Kriterien der gültigen Arzneimittelvorschriften angeboten werden oder damit im Zusammenhang stehende Handlungen als Verstöße gegen regulatorische Bestimmungen oder sogar als Straftaten erachtet werden. Diese Maßnahmen können direkte regulatorische Sanktionen gegen die Produkte oder Einrichtungen/Betriebe umfassen und können, wo notwendig, auch Maßnahmen seitens der Vollzugsbehörden und der Staatsanwaltschaft umfassen.
Die EU-weite Arbeitsgruppe Working Group of Enforcement Officers (WGEO), als Teil des Zusammenschlusses der nationalen europäischen Zulassungsbehörden für Human- und Tierarzneimittel (Heads of Medicines Agencies (HMA)), bringt Expert:innen der Regulierungsbehörden, der Strafverfolgungsbehörden und des Zolls zusammen, um das Problem der illegalen und gefälschten Arzneimittel sowie des illegalen Arzneimittelhandels verstärkt zu bekämpfen.
Zu diesem Zweck unterhält die Gruppe ein operatives Netzwerk von behördlichen Kontaktstellen in jedem EU-Mitgliedstaat. Dies ermöglicht, in jenen Fällen, die potentiell mehr als nur einen Mitgliedstaat betreffen, im Rahmen der Ermittlungsschritte und Maßnahmensetzung, die rasche Koordination sowie Verbreitung von entsprechenden Informationen und Warnungen.
Zusätzlich ist es besonders wichtig, dass auch die Patient:innen über die Gefahren von nicht zugelassenen Therapien Bescheid wissen und die Risiken, die mit nicht konformen, nicht überprüften Therapien verbunden sind, selbst erkennen können.
Hinweise auf solche fragwürdigen Therapien können z.B. sein:
- Therapien, die als alternativ oder experimentell angepriesen werden, aber nicht in einer klinischen Studie geprüft wurden (und daher auch nicht im öffentlichen Register für klinische Studien aufgeführt sind. https://euclinicaltrials.eu/).
- Therapien, die als vermeintlich letzte Hoffnung für Erkrankungen beworben werden, indem sie auffallend intensiv an die dringenden Bedürfnisse von Patient:innen appellieren und dabei den aktuellen medizinischen Erkenntnissen über die jeweiligen Erkrankungen widersprechen.
- Therapien, die eine noch nie dagewesene und überragende Wirksamkeit behaupten, die in der medizinischen Fachliteratur nicht belegt ist oder die einfach zu gut ist, um wahr zu sein.
- Produkte, die behaupten, die herkömmliche, zugelassene Therapie zu ergänzen oder sogar zu verbessern.
Die HMA, das BASG (Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen) und alle nationalen europäischen zuständigen Behörden ersuchen die Öffentlichkeit hinsichtlich der potentiellen Gefahren und Risiken von nicht konformen ATMP-Therapien zusammenzuarbeiten und alle in Österreich verdächtigen Fälle der lokalen Kontaktstelle des BASG (Enforcement/Illegalitäten, enforcement@basg.gv.at) zu melden, um sich selbst und die öffentliche Gesundheit zu schützen.
ATMP/Arzneimittel für neuartige Therapien können nur in folgenden drei Fällen legal verwendet werden, um sicherzustellen, dass ihre Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit gewährleistet ist:
- Als zugelassene Arzneimittel. Sie unterliegen einem zentralisierten Zulassungsverfahren bei der EMA und sind EU-weit gültig und zugelassen. Alle Informationen über die Zulassung sind auf der Website der EMA und bei den jeweils zuständigen nationalen Behörden ersichtlich.
- Im Rahmen einer genehmigten klinischen Prüfung. Bei behördlich genehmigten klinischen Prüfungen sind die Rechte der Patienten geschützt und Patienten, die an klinischen Prüfungen teilnehmen, müssen nie für ihre Behandlung bezahlen. Produkte, die an klinischen Prüfungen teilnehmen, können auch in EU-Datenbanken gefunden werden. https://euclinicaltrials.eu/
- Im Rahmen einer Ausnahmeregelung für Krankenhäuser, die von den zuständigen nationalen Behörden gewährt wird, wie in der europäischen ATMP-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1394/2007) festgelegt. Dieses Verfahren ermöglicht die Herstellung von Arzneimittel für neuartige Therapien in streng regulierten Ausnahmefällen außerhalb des standardisierten zentralisierten Zulassungsverfahrens und deren Anwendung in einem Krankenhaus unter der beruflichen Verantwortung eines Arztes.
Fazit:
Wenn es Fälle von Anwendungen von Arzneimitteln für neuartige Therapien gibt, die den drei oben genannten Kriterien nicht entsprechen und die somit verdächtig erscheinen, empfehlen das HMA und das BASG alle derartigen, in Österreich verdächtigen, Fälle der lokalen Kontaktstelle des BASG (Enforcement/Illegalitäten, enforcement@basg.gv.at) zu melden, um Risiken für sich selbst zu vermeiden und die öffentliche Gesundheit zu schützen.
Links: https://www.basg.gv.at/marktbeobachtung/amtliche-nachrichten/detail/illegale-stammzelltherapien
Meldungen von Verdachtsfällen:
E-Mail: enforcement@basg.gv.at
Rückfragen (fachlich):
Dr. Christoph Baumgärtel, Tel.: +43 505 55-36004
E-Mail: christoph.baumgaertel@ages.at
Rückfragen (für Medien):
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E-Mail: presse-basg@basg.gv.at