Valsartan / Sartan-haltige Arzneimittel: Pharmazeutische Unternehmen sollen Herstellungsverfahren überprüfen, um Auftreten nitrosaminhaltiger Verunreinigungen zu vermeiden

Sicherheitsinformation | Humanarzneimittel | 14.02.2019

Maßnahmen auf EU Ebene

Pharmazeutische Unternehmer, die sartanhaltige Blutdruckmedikamente (auch bekannt als Angiotensin-II-Rezeptorblocker) herstellen, müssen ihre Produktionsverfahren überprüfen, um sicherzustellen, dass nitrosaminhaltige Verunreinigungen künftig vermieden werden. Den pharmazeutischen Unternehmen wird eine Übergangsfrist eingeräumt, um alle erforderlichen Änderungen vorzunehmen. Während dieser Phase gelten zunächst vorübergehende strikte Grenzwerte für diese Verunreinigungen. Nach dieser Frist müssen die Unternehmen nachweisen, dass ihre sartanhaltigen Arzneimittel keinerlei quantifizierbare Mengen dieser Verunreinigungen mehr aufweisen, bevor sie in der EU verwendet werden dürfen.

Diese Empfehlungen folgen einem von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) durchgeführten Risikobewertungsverfahren zu Verunreinigungen von einigen Sartanen mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA) und N-Nitrosodiethylamin (NDEA), die als wahrscheinliche menschliche Karzinogene (Substanzen, die Krebs verursachen könnten) eingestuft wurden. Für die überwiegende Mehrheit aller sartanhaltigen Arzneimittel waren diese Verunreinigungen jedoch nicht nachweisbar oder in nur sehr geringen Mengen vorhanden.

Im Risikobewertungsverfahren wurde eine Abschätzung für das höchste, mögliche Krebsrisiko durchgeführt. Diese Abschätzung ergab: Wenn 100.000 Patientinnen und Patienten NDMA-verunreinigtes Valsartan von Zhejiang Huahai (Herstellungsstätte, bei der die höchsten Mengen an Verunreinigungen gefunden wurden) jeden Tag für 6 Jahre in der höchsten Dosis eingenommen hätten, könnten 22 zusätzliche Krebsfälle über die Lebenszeit dieser 100.000 Patientinnen und Patienten entstehen. Das Vorkommen von NDEA in diesen Arzneimitteln könnte zudem zu 8 zusätzlichen Krebsfällen bei 100.000 Patientinnen und Patienten führen, wenn diese das Medikament mit der höchsten täglichen Dosis über 4 Jahre eingenommen hätten.[1]

Die Schätzungen wurden aus Tierversuchen extrapoliert und sind, verglichen mit dem normalen Lebenszeitrisiko in der EU an Krebs zu erkranken (ein Fall pro zwei Personen), als sehr niedrig einzustufen.

Wie es zu Verunreinigungen in den Sartanen kam

Vor dem Juni 2018 gehörten NDMA und NDEA nicht zu jenen Verunreinigungen, die in Sartanen identifiziert worden sind und konnten daher durch Routineuntersuchungen nicht festgestellt werden.

Es ist nun bekannt, dass sich diese Verunreinigungen während der Herstellung von jenen Sartanen mit einer spezifischen Ringstruktur, einem sogenannten Tetrazolring, unter bestimmten Bedingungen und bei Verwendung bestimmter Lösungsmittel, Reagenzien und anderer Ausgangsstoffe bilden können. Darüber hinaus ist es möglich, dass in einigen Sartanen bereits Verunreinigungen vorhanden waren, da die Hersteller versehentlich kontaminierte Geräte oder Reagenzien im Herstellungsprozess verwendet haben.

Die pharmazeutischen Unternehmen müssen nun Maßnahmen ergreifen, um das Vorhandensein dieser Verunreinigungen zu vermeiden, und ihre Arzneimittel strengen Kontrollen unterziehen.

Kontrollen während und nach der Übergangszeit

Während das Ziel darin besteht, keine quantifizierbaren Mengen an Nitrosamin-Verunreinigungen in Sartanen mehr zu haben, wurden für die Übergangszeit vorläufige Grenzwerte für NDMA und NDEA gemäß aktueller internationaler Richtlinien festgelegt.[2]

Arzneimittel, die entweder Verunreinigungen oberhalb dieser Grenzwerte enthalten oder Arzneimittel, die gleich beide Nitrosamine - unabhängig von der Menge - enthalten, werden hinkünftig in der EU nicht mehr verkehrsfähig sein.

Die Grenzwerte basieren auf maximalen Tagesdosen, die aus Tierversuchen abgeleitet wurden: 96,0 Nanogramm für NDMA und 26,5 Nanogramm für NDEA. Teilt man diese Menge durch die maximale Tagesdosis für jeden Wirkstoff, ergibt sich der Grenzwert in Teilen pro Million (parts per million, ppm) (siehe Tabelle 1).

Die Übergangsphase von zwei Jahren wird pharmazeutischen Unternehmen ermöglichen, die erforderlichen Änderungen in ihren Herstellungsverfahren vorzunehmen und Testverfahren einzuführen, die in der Lage sind, kleinste Mengen dieser Verunreinigungen festzustellen.

Nach dieser Übergangszeit müssen pharmazeutische Unternehmer dann das Vorhandensein von noch niedrigeren NDEA- oder NDMA-Werten in ihren Arzneimitteln (< 0,03 ppm) ausschließen.

 

Tabelle 1: Vorübergehende Grenzwerte für NDMA- und NDEA-Verunreinigungen
 
NDMA

NDEA
Aktive Substanz (Maximale Tagesdosis)Maximale tägliche Aufnahme (ng)Grenzwert (ppm)Maximale tägliche Aufnahme (ng)Grenzwert (ppm)
Candesartan (32 mg)96.03.00026.50.820
Irbesartan (300 mg)96.00.32026.50.088
Losartan (150 mg)96.00.64026.50.177
Olmesartan (40 mg)96.02.40026.50.663
Valsartan (320 mg)96.00.30026.50.082

Die Untersuchung wird fortgesetzt

Die EMA und die nationalen Behörden werden die Untersuchungen auf das Vorhandensein nitrosaminhaltiger Verunreinigungen in Arzneimitteln, einschließlich anderer Verunreinigungen wie N-Nitrosoethylisopropylamin (EIPNA), N-Nitrosodiisopropylamin (DIPNA) und N-Nitroso-N-methylamino-Buttersäure (NMBA), weiterführen.

Die zuständigen Behörden in der EU werden auch die entsprechenden Maßnahmen aus den Überprüfungen ziehen, um die Art und Weise, wie Verunreinigungen in Arzneimitteln identifiziert und behandelt werden, zu verbessern.

Die Empfehlungen der EMA zu den NDMA- und NDEA-Verunreinigungen werden an die Europäische Kommission zur rechtsverbindlichen Entscheidung weitergeleitet. Ein Bewertungsbericht mit weiteren Details dieser Überprüfung wird in Kürze auf der Webseite der EMA veröffentlicht werden.

Situation in Österreich

In Österreich sind eine Vielzahl von Arzneispezialitäten mit folgenden Sartan-Wirkstoffen zugelassen:

  • Candesartan
  • Irbesartan
  • Losartan
  • Olmesartan
  • Valsartan

Eine genaue Auflistung der in Österreich zugelassenen Produkte kann unter Eingabe des Wirkstoffes auf dieser Seite bzw. im Arzneispezialitätenregister erfolgen:

https://aspregister.basg.gv.at

Empfehlungen des BASG

Empfehlungen für Anwenderinnen und Anwender:

  • Nitrosamine sind starke Karzinogene bei Tieren und gelten als wahrscheinliche Karzinogene beim Menschen.
  • Diese Verunreinigungen können sich bei der Herstellung von Sartanen, die einen Tetrazolring enthalten, bei Vorliegen bestimmter Reaktionsbedingungen oder bei der Verwendung verunreinigter Materialien bilden.
  • Für NDMA ist der entscheidende Schritt die Verwendung von Dimethylamin (DMA) in der Synthese, das die Verunreinigung in Gegenwart von Nitriten bildet, üblicherweise unter sauren Bedingungen. Ein ähnlicher Syntheseschritt - mit Diethylamin (DEA) - führt zur Entstehung von NDEA.
  • Strenge Kontrollverfahren sind in Kraft gesetzt worden, um sicherzustellen, dass sartanhaltige Medikamente hinreichend sicher sind.
  • Die Hersteller müssen nun ihre Herstellungsprozesse überprüfen, um die Entstehung von Nitrosaminen zu vermeiden.
  • Sollten weitere Rückrufe oder andere Maßnahmen erforderlich sein, werden die nationalen Behörden Sie darüber informieren, welche Maßnahmen zu ergreifen sind.

Empfehlungen für Patientinnen und Patienten:

  • Es besteht ein sehr geringes Risiko, dass nitrosaminhaltige Verunreinigungen in den Mengen, wie sie in einigen sartanhaltigen Arzneimitteln enthalten waren, beim Menschen Krebs verursachen können.
  • Seitdem die Verunreinigungen erstmals in einigen sartanhaltigen Arzneimitteln festgestellt wurden, arbeiten die Zulassungsbehörden in der EU daran, die Gesundheit der Patientinnen und Patienten bestmöglich zu schützen. Nach den Tests wurden einige betroffene Medikamente aus den Apotheken zurückgerufen und werden in der EU nicht mehr verwendet.
  • Die EMA ergreift nun weitere Maßnahmen, um zu verhindern, dass zukünftig solche Verunreinigungen in Chargen von sartanhaltigen Arzneimitteln enthalten sind.
  • Durch strenge Kontrollverfahren ist sichergestellt, dass sartanhaltige Arzneimittel hinreichend sicher sind.
  • Patientinnen und Patienten, die valsartanhaltige Arzneimittel einnehmen, sollen das Arzneimittel nicht ohne Rücksprache mit der Ärztin oder dem Arzt absetzen.
  • Wenn Sie Fragen zu ihrem jetzigen Arzneimittel oder zu einem Medikament haben, das Sie in der Vergangenheit eingenommen haben, wenden Sie sich an Ihre Ärztin, Ihren Arzt, Ihre Apothekerin oder Ihren Apotheker.

Mehr über die Arzneimittel

Das Risikobewertungsverfahren betrifft die sartanhaltigen Wirkstoffe Candesartan, Irbesartan, Losartan, Olmesartan und Valsartan (auch bekannt als Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten bzw. Sartane-Klasse).

Einige sartanhaltigen Arzneimittel haben eine spezifische Ringstruktur (Tetrazolring), deren Synthese möglicherweise zur Bildung von Nitrosaminverunreinigungen führen könnte. Andere Medikamente der gleichen Klasse, die diesen Ring nicht haben, wie Azilsartan, Eprosartan und Telmisartan, sind von diesem Risiko nicht betroffen und wurden in die Überprüfung nicht einbezogen.

Diese Medikamente werden zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck sowie von Patientinnen und Patienten mit bestimmten Herz- oder Nierenerkrankungen angewendet. Sie wirken, indem sie die Wirkung von Angiotensin II blockieren, einem Hormon, das die Blutgefäße verengt und den Blutdruck erhöht.

Mehr über das Verfahren

Die Überprüfung von Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Valsartan wurde von der Europäischen Kommission am 5. Juli 2018 gemäß Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG eingeleitet. Am 20. September 2018 wurde die Überprüfung auf Arzneimittel erweitert, die Candesartan, Irbesartan, Losartan und Olmesartan enthalten.

Update April 2019:

Die Überprüfung wurde vom Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA (CHMP) durchgeführt, der für Fragen für Humanarzneimitteln zuständig ist und in Folge das Gutachten erstellt hat. Die Stellungnahme des CHMP wurde an die Europäische Kommission weitergeleitet, die mit 02.04.2019 eine endgültige rechtsverbindliche Entscheidung erlassen hat, die in allen EU-Mitgliedstaaten gilt.

Durchführungsbeschluss der Kommission

http://ec.europa.eu/health/documents/community-register/html/ho26820.htm

Presseaussendungen des CMDh

https://www.hma.eu/249.html

Weitere Informationen

Presseaussendung der Europäischen Arzneimittelagentur (01.02.2019)
https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/referrals/angiotensin-ii-receptor-antagonists-sartans-containing-tetrazole-group
Warnung und Sicherheitsinformation des BASG (05.07.2018):
https://www.basg.gv.at/news-center/news/news-detail/article/rueckruf-von-arzneimitteln-mit-wirkstoff-valsartan-vom-chinesischen-hersteller-zhejiang-huahai-pharma/
Sicherheitsinformation des BASG, Update (03.08.2018):
https://www.basg.gv.at/news-center/news/news-detail/article/ueberpruefung-der-valsartan-medikamente-update-1255/
Sicherheitsinformation des BASG, NDEA (23.11.2018):
https://www.basg.gv.at/news-center/news/news-detail/article/produktionsbedingte-verunreinigung-mit-n-nitrosodiethylamin-ndea-im-wirkstoff-valsartan-des-herste/

Rückfragen (regulatorisch)

E-Mail: nat@basg.gv.at

Rückfragen (fachlich)
Dr. Christoph Baumgärtel, Tel.: 050555/36004
E-Mail: christoph.baumgaertel@ages.at

Rückfragen (für Medien)
Kommunikationsmanagement, Tel.: 050555/25000
E-Mail: presse-basg@basg.gv.at

[1] Die Dauer von 6 und 4 Jahren bezieht sich auf die Zeit, in der NDMA und NDEA vermutlich in Valsartan von Zhejiang Huahai vorhanden waren.

[2] International Council for Harmonisation of Technical Requirements of Pharmaceuticals for Human Use (ICH) Guidance: M7(R1)

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